Atomismus

Atomismus
Ato|mịs|mus 〈m.; -; unz.〉 = Atomistik

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Atomịsmus
 
der, -s, Atomịstik,
 
 1) Philosophie: die naturphilosophische Lehre, nach der die Vielfalt und Veränderlichkeit aller Erscheinungen von einer Vielzahl bewegter, kleinster unteilbarer Teilchen (Atome) im unbegrenzten leeren Raum verursacht ist. Ihre Vertreter, die Atomisten, unterscheiden sich darin von der »plenistischen« Gruppe (lateinisch plenus »voll«) der Korpuskulartheoretiker (Anaxagoras, Empedokles, J. C. Magnenus, R. Descartes, T. Hobbes u. a.), für die die unendlich vielen Materieteilchen das All selbst darstellen und dieses vollständig erfüllen.
 
Der Atomismus nahm an, dass alle Dinge der Welt, auch die immateriellen (z. B. die Götter), aus verschieden dicht gelagerten, unveränderlichen, unsichtbar kleinen und nur in Gestalt und Größe, nicht aber qualitativ unterschiedenen Atomen bestehen. Veränderungen, Werden und Vergehen beruhen danach auf Umlagerungen der Atome. Insofern nahm der Atomismus eine Mittelstellung zwischen der Lehre des Parmenides vom unveränderlichen Sein und der des Heraklit von den ständigen Veränderungen ein. Zahl und Gestalt der Atome galten als unendlich; sie bewegten sich von selbst, wohl auch durch »Wirbel«, in der unendlichen Leere. Begründer des Atomismus waren im 5. Jahrhundert v. Chr. Leukippos von Milet und Demokrit; übernommen wurde er von Epikur und dem römischen Dichter Lukrez nicht nur zur Erklärung von Naturvorgängen, sondern auch in areligiöser, ja antireligiöser Absicht. Von den Kirchenvätern wurde deshalb der Atomismus als Epikureismus heftig bekämpft, dadurch aber zugleich die Erinnerung an ihn bewahrt.
 
Die Bekanntschaft des Abendlandes mit den naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles, der ein Gegner des Atomismus war, hatte ebenfalls eine allgemeine Ablehnung des Atomismus zur Folge. Seit dem 12. Jahrhundert gelangte durch Averroes die auf Aristoteles zurückgehende Lehre von den »minima naturalia«, den kleinsten natürlich auftretenden homogenen Materieteilchen, zur Geltung. Sie wurde von einer Reihe christlichen Scholastiker übernommen und weitergebildet (A. Nifo, J. C. Scaliger, G. Bruno). Von ihr gingen die entscheidenden Impulse für die Erneuerung des Atomismus im 17. Jahrhundert aus, die u. a. durch D. Sennert, H. Jungius und v. a. P. Gassendi erfolgte. R. Boyle verband als erster den antiken Atombegriff mit der experimentellen Naturwissenschaft des 17. Jahrhunderts und gelangte zur Vorstellung von aus gleichartigen Atomen bestehenden chemischen Elementen. Der Atomismus dieser Zeit besaß ausgesprochen mechanistische Züge und suchte z. B. den Zusammenhalt chemischer Verbindungen durch die Annahme besonders gestalteter Atome zu erklären. Erst die von I. Newton, einem entschiedenen Anhänger des Atomismus, vertretene Auffassung, dass die Atome Träger von Anziehungskräften seien, änderte zu Beginn des 18. Jahrhunderts den überkommenen Atombegriff und ließ einen »dynamischen Atomismus« entstehen. J. Dalton knüpfte dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Newtons Vorstellungen an und fasste zugleich die Atome als gleichartige kugelförmige Teilchen auf, die von Element zu Element sich nur durch ihr Atomgewicht unterscheiden. Er begründete damit die chemische Atomlehre. J. J. Berzelius stützte diesen chemischen Atomismus durch exakte Atomgewichtsbestimmungen, die wegen der erst im 20. Jahrhundert entdeckten Isotopie der Elemente zu nichtganzzahligen Verhältnissen führten und damals die Theorie von W. Prout widerlegten, dass alle Atome Vielfache des Wasserstoffs seien, sowie durch eine elektrostatische Bindungstheorie, nach der die Atome der verschiedenen Elemente unterschiedlich elektrisch geladen sind und sich entsprechend ihrer Einordnung in die Spannungsreihe der Elemente mehr oder weniger stark verbinden. Die avogadrosche Hypothese (1811) der Existenz zweiatomiger Moleküle der elementaren Gase konnte deshalb nicht anerkannt werden, weshalb dem Atomismus in der Chemie allgemeine Anerkennung versagt wurde, bevor auf dem Karlsruher Kongress 1860 S. Cannizzaro durch eine zusammenfassende Darstellung dem Atomismus in der Chemie zum Durchbruch verhelfen konnte. Etwa zur gleichen Zeit fand der Atomismus auch in der Physik als kinetische Gastheorie wieder Eingang (Atom, Geschichte). Jedoch hielt hier die Skepsis gegen die Existenz kleinster Teilchen an, bis die Erkenntnis über ihre innere Struktur (Atommodell) den Begriff »Atom« schon nicht mehr rechtfertigte.
 
 
G. T. Fechner : Über die physikal. u. philosoph. Atomenlehre (21864, Nachdr. 1981);
 K. Lasswitz: Gesch. der Atomistik vom MA. bis Newton, 2 Bde. (1890, Nachdr. 1963);
 A. G. M. von Melsen: Atom gestern u. heute (a. d. Niederländ., 1957).
 
 2) Psychologie: Der psychologische Atomismus oder die »Elementenpsychologie«, wie sie besonders von D. Hume, H. Ebbinghaus und J. Fröbes vertreten wurde, lehrte, dass sich alle komplexen psychischen Sachverhalte auf Assoziation, Integration und Kombination elementarer Sinnesqualitäten zurückführen ließen. Durch die Gestaltpsychologie wurde diese Anschauung weitgehend widerlegt.
 
 3) Soziologie: vorwiegend im 19. Jahrhundert vertretene Anschauung, der zufolge nur den Individuen soziale Wirklichkeit zukommt; soziale Beziehungen werden als Aufeinanderprallen von individuellen Zielsetzungen und Handlungsmotiven erklärt.

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Ato|mịs|mus, der; -: (auf den griechischen Philosophen Demokrit zurückgehende) Vorstellung, die Welt u. alle Vorgänge in ihr seien auf Atome u. ihre Bewegung zurückzuführen.

Universal-Lexikon. 2012.

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